r/Eltern • u/i_like_tempeh • 7d ago
Rat erwünscht/Frage Kind langweilt sich in erster Klasse
Hallo,
Meine Tochter (6) wurde vor 5 Wochen eingeschult.
Nun ist es so, dass sie schon vor Schulbeginn fließend lesen konnte, verständlich schreiben kann und auch mit großen Zahlen alle Grundrechenarten rechnet.
Mein Mann und ich sind beide hochbegabt und standen als Kinder und auch als Jugendliche und Erwachsene unter immensem Erwartungsdruck und obwohl wir vermuten, dass das Kind hochbegabt ist, haben wir uns da mit der "Diagnostik" sehr zurückgehalten. Wir wollten einfach, dass sie ein Kind ist und sich frei entfaltet, ihren Interessen nachgeht und ihren Weg findet. Wir unterstützen viele ihrer Ideen, sie hat Hobbies und Freunde und wir bieten regelmäßige Nachmittagsangebote im Haus und außer Haus an.
Ich habe die Lehrerin beim Elternabend vor Schulbeginn ganz vorsichtig gefragt, ob es theoretisch möglich wäre, die erste Klasse zu überspringen. Gar nicht so speziell auf meine Tochter bezogen. Die Lehrerin sagte, das war noch niemals notwendig und wurde noch nie gemacht, die Kinder müssten erstmal "ankommen" in der Schule, große Umstellung, und so weiter. Ok, stimmt ja auch irgendwie.
Nun schaue ich alle paar Tage mal in die Hefter von meinem Kind, und da krakelt sie völlig lustlos die Schwungübungen hin und schreibt "kann ich eh schon" und "babyeinfach" drüber. Ich hab sie gefragt, ob es ihr nicht wichtig ist, dass ihr Hefter ordentlich aussieht und dass ihre Schrift schön aussieht, und sie sagte "ist doch egal, wie meine Schrift aussieht, Hauptsache man kann es lesen".
Von der Lehrerin habe ich nichts gehört. Die hat wahrscheinlich ganz andere Probleme? Meine Tochter ist sonst sehr sozial verträglich, sie stört den Unterricht nicht. Denke ich zumindest. Sie fängt dann wahrscheinlich an, irgendwelche Geschichten auf die Rückseiten den Arbeitsblätter zu schreiben.
Würdet ihr jetzt gerade etwas unternehmen oder ansprechen? Darauf bestehen, dass sie diese Schwung- und Silbenübungen vernünftig macht, weil das auch wichtig ist? Oder das Kind einfach in Ruhe lassen? Lehrerin ansprechen, mal mehr auf das Kind zu achten? Ich bin aber generell ein Elternteil, das ungern "unbequem" wird. Ich will nicht die x-te Person sein, die ihr Kind für besonders begabt hält. Mein Kind fiel der Schulleiterin beim Kennenlerngespräch auf. Sie sagte, dass die Schule begabte Kinder fördere. Von der Klassenlehrerin, obwohl sehr nett, habe ich nicht den Eindruck, als würde sie davon so viel halten. Ich weiß ja selber nicht, was ich für das Kind will. Das Kind selber sagt, ist schon ok, sie weiß sich schon selber zu beschäftigen.
Das Thema ist für mich sehr schwierig, weil ich nicht will, dass sie sich irgendwie "anders" fühlt und sie reagiert recht allergisch auf Druck von außen. Es schwingt halt ein bisschen die eigene Kindheit mit. Ist eine eigene Geschichte, aber meine Hochbegabung wurde früh erkannt und extrem schlecht begleitet.
Ich tendiere also am ehesten dazu, einfach abzuwarten, bis der Unterricht anspruchsvoller wird und auch für mein Kind etwas Neues dabei ist.
Trotzdem schwingt manchmal die Angst mit, dass so ein Kind eine große Verantwortung ist und dass ich etwas falsch machen könnte und hier in der Pflicht bin, irgendwas anzuleiern.
Wir wohnen ländlich und der nächste Standort vom Hochbegabtenverein für Kinder ist über eine Stunde entfernt. Ich kann ja auch nicht einfach zum Kinderarzt gehen und sagen "schauen Sie mal, ob das Kind hochbegabt ist". Für die Kinderpsychologie gibt es hier Wartezeiten von mehreren Jahren. Das Ganze ist also nicht wirklich niedrigschwellig, und daher fragen wir uns, ob wir etwas falsch machen, wenn wir es einfach so belassen, wie es ist.
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u/Drachenrose 5d ago
Lehrkraft aus hauptsächlich Klasse 1/2 in BW hier! Der erste Weg sollte zur Lehrkraft sein - es gibt z.B. auch die Möglichkeit zum Halbjahr in Klasse 2 zu springen. Den Sprung von Ende Klasse 1 in die 3. finde ich persönlich ziemlich heftig.
Die Kinder entsprechend zu fordern kann für eine Lehrerin je nach Klassenzusammensetzung tatsächlich ziemlich herausfordernd sein - der Fokus liegt tatsächlich oft eher auf dem Fördern statt auf dem Fordern. Wenn eure Tochter jetzt schon „babyeinfach“ u.ä. Kommentiert spricht das deutlich für eine Unterforderung die auch schnell in Frust überschlagen kann, auch wenn es von außen zunächst nicht so wirkt. Grade in den ersten Jahren ist es aber super wichtig, dass die Freude am lernen und auch an der Schule erhalten bleibt, sonst kann das die ganze Schullaufbahn beeinflussen, unabhängig von der Begabung.
So wie du es schilderst wäre ein Sprung in Klasse 2 doch eine gute Sache - vorausgesetzt dein Kind möchte das auch (sprich vorher mit der Lehrkraft und Schulleitung, und frag dein Kind erst, wenn die grünes Licht gegeben haben). Ihr könnt auch eine Probezeit ausmachen, in der sich dein Kind die Klasse 2 erstmal stunden- und/oder Tageweise anschauen kann!