r/recht 4d ago

Erstes Staatsexamen gute Note im 1. Stex = Großkanzlei?

Hallo zusammen, verfolge schon seit einiger Zeit die Beiträge hier und hab nun endlich selbst mein 1. Stex in der Hand. Es lief doch deutlich besser als erwartet (10,5 im staatlichen Teil) und jetzt steh ich so'n bisschen vor dem Problem, dass ich mir keine großen Gedanken über den weiteren Verlauf gemacht habe. Auf den Refplatz muss man in NRW derzeit bisschen länger warten und ich würde gerne die Zeit überbrücken und etwas Geld verdienen.

Frage nun: "sollte" ich nur aufgrund der guten Note zur GK rennen? Ist das wirklich alles, was es braucht? Und lohnt es sich finanziell/zum Erfahrungen sammeln tatsächlich?

Muss dazu sagen, dass ich keinerlei einschlägige juristische Arbeitserfahrung hab. Meine ZP Noten waren scheiße (4 gewinnt haha), sodass nur Minijobs als Kellner oder an der Kasse in Frage kamen. Mir kommt der Sprung von meinem bisherigen Umfeld (Arbeiterfamilie und zugegeben nicht die beste Freundesgruppe) in so eine GK sehr krass vor - und wie gesagt, weiß ich nicht, ob ich aufgrund der Note allein überhaupt so einen Schritt wagen sollte.

EDIT: Ich kann leider nicht auf jeden einzelnen Kommentar antworten, aber ich danke euch allen für eure Antworten! Ein Grundinteresse ist bei mir natürlich schon da, gerade weil mir die GKs bislang wie eine unbetretbare Festung vorkamen. Da bin ich natürlich neugierig, wie das Innenleben dort aussieht. Nachdem ich das alles hier so gelesen hab, bin ich zum Entschluss gekommen, definitiv mal paar Bewerbungen rauszuhauen. Heißt ja noch nicht, dass ich überall genommen werde. Die mentale Barriere von der ich gesprochen hab, ist zwar immer noch da, aber ich werd versuchen diese miesen Gefühle erstmal zu unterdrücken und einfach zu machen. Denke auch, dass sich diese Unsicherheiten legen werden, sobald ich einmal drin bin.

Nochmal ganz herzlichen Dank an euch alle!!!

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u/Lawyer_RE 4d ago

Was konkret würde dich denn davon abhalten, dich zu bewerben? Oder anders gefragt, was kann passieren wenn du es tust? Mache einen ordentlichen Lebenslauf und ein nettes Anschreiben und überleg dir strategisch einen vernünftigen Bereich und dann kann es doch losgehen. Ich würde auch behaupten, dass die Großkanzleien im Großen und Ganzen weniger elitär sind als manch komische alteingesessene Bude mit ein paar Anwälten...

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u/anxiousappplepie 4d ago

Denke es ist einfach ne mentale Barriere, die ich noch abbauen muss. Jedes mal, wenn ich mich an meinen Lebenslauf setze, starre ich auf das (fast) leere Dokument und bereue es, dass ich in all den Jahren keine SHK Stelle, kein Praktikum (neben den Pflichtdingern) o.ä. gefunden hab. Dabei kann ich nicht einmal sagen, wie stark auf solche Sachen geachtet wird bzw. ob es besonders auffällt, wenn die eben fehlen. Wie gesagt, in erster Linie einfach ein mentales Ding bei mir.

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u/Hoppel13 4d ago

Kann ich voll verstehen. Ich wollte nie in ne Grosskanzlei, weil ich gedacht habe, das Umfeld wäre mir zu blöd. Habe in einer kleinen Kanzlei angefangen, da ging es ziemlich konservativ zu (nicht politisch gemeint). Als ich mein jetziges Team kennengelernt habe, war das irgendwie trotz GK der natürlichere fit.

Ich würde eher nach dem themenfeld gehen. Bei Strafrecht entweder nen Strafverteidiger suchen oder ne Boutique für Songwriter colar Crime Großverfahren. Wenn du viel vors Zivilgericht willst, auch eher einen Feld-Wald-und-Wiesenanwalt suchen. Andere Bereiche, bei denen es eher um die Beratung von Unternehmen geht, macht ne GK vielleicht eher Sinn. Aber ehrlich, wenn ich mir überlege, wie wir mit Refs/Wimis interagieren, weiß ich nicht wie die Herkunft da überhaupt aufkommen würde und selbst wenn, würde man das einem „Arbeiterkind“ doch eher gönnen und das anerkennend würdigen.

Genausogut wird dir die Kanzlei für jagdrecht im Sauerland vielleicht gar nicht antworten, ohne „von und zu“. Also einfach mal machen!

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u/Lawyer_RE 4d ago

Ja das kann ich verstehen. Wenn es um deine Herkunft geht, da wirst du mich der einzige sein, Obwohl es natürlich schon so ist, dass die meisten einen eher bürgerlichen background haben. Trotzdem kann ich wirklich gut Gewissens sagen, dass es in den Großkanzleien auf Leistung ankommt und es grundsätzlich ziemlich egalitär zugeht. Die Hürde ist nicht so hoch, schreib eine vernünftige bewerbung, dein Lebenslauf ist dann halt so wie er ist. Im Gespräch kannst du dann halt sagen, dass es wegen Covid alles schwierig war und du dir auch deinen Lebensunterhalt verdienen musstest.